Wir stellten uns die Frage, was man denn alles Schönes mit Supers! anfangen könnte und hatten ein kleines Problemchen: Wir hatten so verdammt viele Ideen, was man denn machen könnte, dass wir nicht wussten, wohin damit. Wir haben nicht vor, Euch unsere Ideen vorzuenthalten. Warum auch? Wäre ja schade drum. In regelmäßigen Abständen werden wir hier auf der Homepage »Teaser« für weitere Supers!-Settings veröffentlichen. In Struktur und Umfang entsprechen diese ungefähr den Setting-Kapitelchen im GRW.
von Werner H. Hartmann
Caveat Emptor.
Timeo Danaos et dona ferentis.
„Klar hat die Kapsel des Dealers meinen Hirntumor beseitigt. Schön. Dafür sind jetzt mindestens drei Yakuza-Clans hinter mir her!“
Jimmy Sniffles, Ex-CIA, in der Captain Hiller Bar in Mombasa, Kenia.
Emporium zeigt unsere eigene Welt in naher Zukunft, am Ende des ersten Jahrzehnts des zweiten Zeitalters der Entdeckungen. Dies begann mit dem weltweiten Erscheinen der Dealer: große metallisch verspiegelte Kuben, die plötzlich auf Universitätsgeländen, in Stadien, auf Marktplätzen, in Häfen oder Friedhöfen auftauchten. Bald lernte man, dass dies die Kontaktstationen einer Gruppe alliierter außerirdischer Zivilisationen waren, welche sie entsandt hatten, um uns mit modernsten Gütern zur Entwicklungshilfe zu versorgen! Die Würfel verstanden die jeweilige Landessprache und konnten Bilder darstellen. So vermittelten sie, dass sie technisch enorm hoch entwickelte Waren anzubieten bereit waren – im direkten Tausch gegen die Besorgung bestimmter Objekte oder die Erledigung sehr spezieller Aufgaben. Wir lernten, dass die Aliens weitgehend friedlich, uns aber technisch weit überlegen waren und Versuche zur Zerstörung oder Verlagerung eines Dealers dulden würden. Das durch die erforderlichen Anforderungen – die bald nur Quests genannt wurden – und die Einführung unzähliger extraterrestrischer Güter und unverständlich komplexer Technologie bald überall auf dem Globus entstehende Chaos, konnten aber weder Supermächte noch Megakonzerne verhindern. Es zeigte sich auch, dass die Aliens – welche nie persönlich erschienen – offenbar verschiedene Fraktionen bildeten. Außerdem bemerkten die Nationen der Welt, dass manche Dinge wohl von enormem Wert für die Fremden waren. Ihre Vorlieben für gewisse Kulturgüter erscheinen unberechenbar, aber es zeigten sich vor allem zwei Bereiche, die eine kaum stillbare Nachfrage erfuhren: Tourismus und Wein! Reisen erfolgen dabei stets indirekt, d. h. entweder mittels ferngesteuerter Roboter oder der beliebteren „Fleischdrohnen“, „Meat Puppets“ oder schlicht „Muppets“. Dies sind Menschen, die einen „Sensorkragen“ oder ein entsprechendes Implantat besitzen, wodurch ihr gesamter Körper von einem Alien übernommen werden kann, dem sich so eine vollsensorische menschliche Erfahrung bietet! Ansonsten scheinen sehr viele Aliens eine Vorliebe für Glücks- und Gesellschaftsspiele zu haben: Orte wie Vegas, Reno, Jahrmärkte, Spielemessen und Conventions ziehen sie jedenfalls geradezu magisch an.
Neben der Waffentechnologie der Dealer hat kaum etwas einen solchen Einfluss auf die menschliche Zivilisation gehabt, wie deren medizinische Angebot, insbesondere die zahlreichen Nanosymbionten, die nicht bloß Krankheiten heilen, sondern oft regelrechte Übermenschen entstehen lassen! Die meisten von diesen behaupten, freien Willens handeln zu können, aber jeder kennt die berüchtigten Mitglieder des Silbernen Ordens, die sich irgendwie mit einer der Alienfraktionen verschworen haben, so dass die „Ritter“ des Ordens nicht nur einige der stärksten bekannten Waffen und Rüstungen tragen, sondern auch so voller Symbionten und exotischer Drogen sein sollen, dass sie kaum noch menschlich zu nennen sind.
Das vergangene Jahrzehnt führte so dazu, dass einige Länder – allen voran China und Indien – durch Geschäfte mit Muppets aus der eigenen Bevölkerung enorm reich und korrupt wurden. Weinnationen hingegen sind die neuen Ölmächte, allen voran die EU, Südafrika, Chile und Australien. Kalifornien ist weiterhin sehr reich, wenn auch noch Teil der USA, die dank einer bemerkenswerten Kombination auf Unternehmergeist, Gier, Paranoia und vor allem der Begeisterung für Schusswaffen zu einer riesigen, von kriminellen Warlords, Sekten und Söldnern beherrschten Mischung aus Bürgerkriegszonen und Boomtowns mutiert ist, auch wenn das US-Militär immer noch eines der stärksten der Welt ist. Russland hingegen ist auch Jahre nach dem Moskau-Ereignis noch ein gesetzloses Ödland, dessen Trans-Ural Gebiete von China und Indien geplündert werden, während im Westteil des Landes der gewaltige Moskausee noch an die Vergeltung für den russischen Angriff auf das Raumschiff einer der Alienfraktionen erinnert. Sieht man von touristisch-wissenschaftlichen Ausflügen ab, so ist nur Subsahara-Afrika das einzige großflächig von den Dealern freie Gebiet. Die Gründe dafür sind umstritten, aber in der Folge wurde dieser Flickenteppich von Nationen zu einem Zufluchtsort für all jene, die fern von den Blicken der Aliens ihr Leben fristen wollen.
Natürlich haben nicht alle Menschen die Ankunft der Aliens einfach so hingenommen. In Nordamerika wimmelt es von militanten Ufologen, die teilweise mit terroristischen Methoden gegen „Kollaborateure“ vorgehen, während mit Dealer-Tech bewaffnete Milizen sich in ihren Bunkerenklaven in der Wildnis verschanzen. Religiöse Fanatiker aller Religionen führen gleichzeitig „heilige Kriege“ gegen die „Teufel und Dämonen aus dem All“, während neue Sekten die Aliens als „Engel“ oder gar „Götter“ verehren! Derweil forschen alle großen Militärs und Konzerne fieberhaft nach Informationen über die Außerirdischen. Die Welt ist in einen Schleier moralischer Grautöne gehüllt, in dem es von Doppel- und Dreifach-Agenten, geheimen Plänen, echten und imaginären Verschwörungen, Schurken, Helden, Rebellen und Unterdrückern nur so wimmelt – auch wenn selten jemand weiß, wer, welche dieser Rollen spielt.
Die sechs Fraktionen der Dealer vertreten sechs große galaktische Zivilisationen, die sich seit etwas über 150 Erdjahren gezwungen sehen, einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Dieser Feind wird meist nur als der Sturm bezeichnet: eine enorm fortgeschrittene militaristische Zivilisation, die bereits über einhundert Systeme unterworfen hat und nun die Gebiete der Dealer bedroht! Gegenwärtig unterstützen die Dealer einige letzte „Puffer-Zivilisationen“ bei ihren zunehmend verzweifelten Abwehr- und Rückzugsgefechten, aber die Lage verspricht wenig Hoffnung. Bis die Dealer auf der Suche nach den Ursprüngen des Sturms die Erde entdeckten!
Denn, obwohl auf Erden niemand davon weiß, so entstand dort direkt nach der letzten Eiszeit eine extrem erfolgreiche Hochkultur, die im Erdzeitalter des Jüngeren Dryas die Erde verließ – und deren Abkömmlinge später die Zivilisation des Sturms errichteten! Die Allianz der sechs Verbündeten plant nun genug Information über Biologie und Ursprung des Sturms zu sammeln, um mittels ihrer Nanotechnologie eine biogenetische Superwaffe zum vollständigen Xenozid ihres Feindes erzeugen zu können. Leider würde die Galaxis-weite Verbreitung der Waffe auch zur Ausrottung der irdischen Menschheit führen – aber deshalb ist es umso wichtiger, schnellstmöglich alle kulturellen und materiellen Besonderheiten Terras zu finden und in Sicherheit zu bringen!
Eine erhebliche Komplikation im Plan der Allianz bildete jedoch die Entdeckung von Wein und den faszinierenden Effekten, welche dieser bei fast allen Spezies der Allianz auslöst. Denn während Wein für einige – je nach Sorte, Alter, Lage, etc. – wie ein Regenbogen verschiedenster Drogen wirkt, erschließt er anderen psychedelisch-religiöse Erfahrungen, einige ihn hingegen wie eine Kombination aus Schokolade und Kaffee konsumieren und wieder andere ihn zur Leistungssteigerung nutzen! Die enorme Bedeutung, die Wein – der bisher auf keinem Heimatplaneten der Allianz erfolgreich angebaut werden konnte – somit in kürzester Zeit erhielt, trägt inzwischen dazu bei, dass viele Vertreter der Allianz ein striktes Veto gegen alle eventuellen Pläne für irdische „Feldversuche“ mit ersten Versionen der Xenozid-Waffe ausgesprochen haben, selbst wenn dies den gesamten Zeitplan um Jahre verlängert. Erleichtert über diese Entwicklung waren hingegen die Forscher des zweiten Projekts der Allianz auf der Erde: die Operation Null. Das ist der Codename für die Analyse und angestrebte Rekonstruktion der sogenannten bioenergetischen Fähigkeiten des Sturms. Diese Bioenergetik erlaubt offenbar einigen Mitgliedern des Sturms eine willentliche Manipulation aller bekannten physikalischen Wechselwirkungen, inklusive einiger Abläufe, die bestimmte Aspekte der Raumzeit beeinflussen können! Die Existenz solcher Kräfte wird selbst innerhalb der Allianz geheim gehalten, doch offenbar werden diese Fähigkeiten als wichtige Komponente der hocheffizienten Warpantriebe des Sturms eingesetzt. Zur Enttäuschung der Allianz-Wissenschaftler erwiesen sich die Terraner aber als völlig frei von bioenergetischen Talenten, obwohl es Hinweise auf diese in Mythologie und Religion zu geben scheint. Das führte zur Exodus-These, der nach die nötigen Gene nur in der Population der ursprünglichen Prä-Dryas Hochkultur vorkamen – wobei der Kontakt mit dieser Population die menschlichen Mythen über humanoide Götter und Menschen mit „magischen Kräften“ entstehen ließ. Durch diese Vermischung – Stichwort Halbgötter – sollten aber Reste der Gene noch heute vorhanden sein! Tatsächlich gelang der Allianz die Lokalisation von Menschen mit den notwendigen Genen, was wiederum zur Entwicklung der ersten „neurokinetischen“ Implantate und Symbionten führte. Die Kräfte deren Empfänger beruhen aber nicht auf dieser Technologie: während einer angeblichen „Lernphase“ der Symbionten erfolgt nur eine Gentherapie, an deren Ende Implantat oder Symbionten nur noch der Überwachung des Kandidaten dienen!
Obwohl Emporium keine unmittelbaren medialen Vorbilder besitzt, mangelt es nicht an diversen Inspirationsquellen für einzelne Elemente dieser Welt: Da wären etwa die Green Lantern Comics ebenso wie der Film und Comic Cowboys & Aliens. Außerdem Filme wie Chronicle und The Box, sowie TV Serien wie Babylon 5, Earth: Final Conflict und The 4400. Im Bereich der SF-Literatur finden sich Anregungen und verwandte Themen z. B. in der George R.R. Martins Wild Cards „Shared World“, sowie in John Ringos Legacy of the Aldenata Serie, Alan Dean Fosters The Damned Trilogie oder James P. Hogans Giants Serie.
Emporium mischt eine real wirkende Welt der nahen Zukunft mit einer Technologie, die von „in greifbarer Nähe“ bis zu „von Magie kaum unterscheidbar“ reicht. Dennoch ist das Geschehen von einem nahezu zynischen Realismus politisch-wirtschaftlicher Verhältnisse geprägt, so dass hier auch die Protagonisten mit einer unbarmherzigen Auslegung der physischen Realität zu rechnen haben, gerade wenn es um die Konsequenzen übermenschlicher Fähigkeiten geht: wer durch Stahlbetonwände schlagen kann, der muss mit unappetitlichen Folgen rechnen, wenn solch ein Schlag gewöhnliche Menschen trifft – und auch vermeintliche „Helden“, deren einzige „Superkraft“ vielleicht besondere Sinneswahrnehmung umfasst, enden nach einem Sturz aus dem 30. Stock meist als Fleck auf dem Asphalt!
Der angesprochene Grad von Realismus in Emporium eignet sich gut für lange Kampagnen, analog zu Serien mit mindestens einem übergreifenden Handlungsbogen und entsprechender Charakterentwicklung, oder für einzelne, komplett in sich geschlossene Geschichten, die eher wie Spielfilme oder Mini-Serien aufgebaut sind. Rein episodenhafte Serien mit „Monster/Mordfall/Rätsel der Woche“ Strukturen, bei denen Kontinuität praktisch irrelevant ist, wirken hier seltsam gekünstelt und unangebracht.
Die relative Macht der Charaktere sollte in Emporium normalerweise irgendwo zwischen „Groschenromanheld“ – erfahrene Schmuggler, Wissenschaftler, Geheimagenten, militärische Spezialeinheiten oder eben die gerne als Glückritter bezeichneten hauptberuflichen „Questlöser“ – und „Superheld“ – Besitzer von Nanosymbionten oder besonders hochentwickelter Alientechnologie – liegen. Insbesondere die Nanosymbionten könnten dieses Niveau im Verlauf einer Kampagne aber sogar bis in den Bereich „Globaler Beschützer“ ansteigen lassen!
Aufgrund der vielen Geheimnisse, Lügen, Bluffs, Intrigen und unzähligen Konflikte auf allen Ebenen der Welt und angesichts der chaotischen Mischung aus sozialem Zerfall, politischem Aufruhr und sprunghafter technischer und wirtschaftlicher Entwicklung dürfte klar sein, dass Emporium ein in tiefe moralische Grautöne getauchtes Setting ist – auch wenn es gleichzeitig nicht an eindeutig bösen oder gar monströsen Gegnern mangeln dürfte.
Offiziell sind alle Machtquellen in Emporium letztlich technischer Natur – auch wenn diese Technik von den Dealern stammt und von Terranern nicht wirklich verstanden wird. Bloß einige eingeweihte Mitglieder der Allianz wissen, dass die Effekte gewisser Nanosymbionten auf spezifischen Genkomplexen der betroffenen Menschen beruhen, welche durch die Nanotechnologie nur restauriert oder aktiviert wurden, aber nun völlig eigenständig funktionieren!
Die Welt von Emporium wurde durch die Dealer, ihre Technologien und die damit verbundenen Questen derartig drastisch verändert, dass die de-facto übermenschlichen Kräfte einiger Nanosymbiontenträger tatsächlich als vernachlässigbar anzusehen sind!
Recht und Gesetz sind immer noch in weiten Teilen der Welt wirksam, so dass die meisten Charaktere damit rechnen müssen, für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die gilt aber definitiv nicht mehr überall oder für jeden. Gleichzeitig könnten Charaktere, die die geheimen Pläne der Allianz entlarven und vielleicht sogar selbst ins All gelangen, den Lauf der galaktischen Geschichte verändern …
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